Porträtfoto Christine Peter
Foto: (c) Hallmann

Die mit den Affen malt ...

Sie ist gebürtige Berlinerin. Aufgewachsen in Zehlendorf. Ausbildung und Arbeit als medizinisch-technische Assistentin. Mit 40 kündigte Christine Peter ihren sicheren Job. Das war 2002. Heute arbeitet Sie als Fachfrau für kreative Tierbeschäftigung (Enrichtment) im Zoo Krefeld. Ab 2021 wird sie auch die Mal-Sessions im Leintalzoo Schwaigern betreuen.

 

Kunstbüro Düsseldorf (KBD): Frau Peter, nicht jede hat den Mut, ihr Leben über Bord zu werfen und neu anzufangen. Was hat Sie getrieben? 

Christine Peter: Ganz einfach. Ich habe mir einen Lebenstraum erfüllt. Menschenaffen interessieren mich seit meiner Kindheit. Zuerst so wie Kinder sich für Tiere begeistern. Später, als Jugendliche, wuchs in mir die Überzeugung, dass Primaten – natürlich nicht nur die – im Zoo erheblich unterfordert sind, dort regelrecht verkümmern. Wie ein Couchpotato ohne Fernseher. Das hat mich wirklich geschmerzt. 

Dann mit 40 habe ich gedacht: jetzt oder nie. Ich wollte eine Neuorientierung in meinem Leben. Und endlich das tun, wovon ich schon immer geträumt habe.

Foto: (c) Hallmann. Christine Peter in ihrem "Bauwagen", wo sie allerlei Leckereien für ihre Schützlinge vorbereitet.
Foto: (c) Hallmann. Christine Peter in ihrem "Bauwagen", wo sie allerlei Leckereien für ihre Schützlinge vorbereitet.

KBD: Wie ging es dann weiter?

Christine Peter: Mein erstes Praktikum bekam ich im Zoo Duisburg. Eineinhalb Jahre habe ich dort gearbeitet. Natürlich mit dem Vorsatz, nicht nur Käfige zu säubern, sondern Menschenaffen zu beschäftigen. 2004 wechselte ich dann in den Krefelder Zoo. Ins Menschenaffenhaus. Hier habe ich – wieder als Praktikantin – zwei Jahre in der Routine bei den Pflegern mitgearbeitet, die Tiere kennengelernt, sie aber auch beschäftigt, z. B. indem ich Leckereien, Nüsse, Rosinen, Gemüse- und Fruchtstücke in präparierten Pappröhren, Holz- oder Bambusstöcken versteckte, wo sie nur durch Tasten und Stochern herausgeholt werden können. Unter dem Begriff Enrichment, also Bereicherung, läuft das heute.

Okay, 2006 lief mein Vertrag aus. Aber ich bekam einen neuen. Zoodirektor Dr. Wolfgang Dreßen war aufgefallen, wie effektiv sich die Tierbeschäftigung bei Menschenaffen auswirkt. So hatte sich z. B. das Sozialverhalten der Schimpansen augenfällig verbessert. Kurzum: Dr. Dreßen richtete für mich die deutschlandweit erste Stelle für Tierbeschäftigung ein. Und für mich ging ein Traum in Erfüllung.

KBD: Und wie kamen sie auf die Idee, mit Affen zu malen

Christine Peter: Das war ja nicht meine Idee. Denn natürlich kannte ich auch die einschlägigen Malexperimente mit Menschenaffen. Aber da ich auch selbst male, dachte ich, vielleicht, wenn die Affen mögen, wäre das eine schöne Abwechslung für sie. Zum ersten Mal testete ich es in Duisburg. Mit der Orang Utan-Dame Susi. Und es klappte. Susi malte begeistert. 

KBD: Kritiker wenden ein, dies sei keine artgerechte Beschäftigung. 

Christine Peter: Menschenaffen malen aus freien Stücken. Kein Mensch kann sie dazu zwingen. Deshalb halte ich die Motivierung zum Malen im Rahmen der Beschäftigung für völlig okay. Wie gesagt: ich muss die Tiere nicht mit Leckereien überreden. Sie malen, weil sie Spaß daran haben. Desmond Morris bezeichnet das als eine Aktion um ihrer selbst willen. Und außerdem: Was heißt artgerecht? Die gesamte Zoo-Situation ist eine künstliche. Jede anregende und für die Tiere kurzweilige Beschäftigung, die über die Grundversorgung hinausgeht, ist zu begrüßen. 

KBD: Wie müssen wir uns so eine Mal-Session vorstellen?

Christine Peter: Die Mal-Sessions laufen sehr individuell ab. Je nach Charakter und Temperament des Affen. Da lässt sich nur schwer etwas verallgemeinern. 

KBD: Fangen wir bei Sandra an. 

Christine Peter: Sandra malte wie später Tilda und Barito im Backstage-Bereich des Affenhauses, also in den Ruheräumen. Dort stellte ich die Farbtöpfe vor dem Gitter auf. Sie zeigte mit dem Pinsel auf eine Farbe. Die reichte ich ihr an. Sandra erkannte auch sehr schnell den Tauschwert ihrer Arbeiten. Wohlgemerkt: Gemalt hat sie ohne Belohnung, die Bilder herausgegeben aber nur gegen eine Leckerei. Fiel ihr diese zu gering aus, zerriss sie die Bilder.

Das absolute Highlight für die Schimpansen: Eiswaffeln mit Heimchen für das Plus an Proteinen.
Foto: (c) Hallmann. Das absolute Highlight für die Schimpansen: Eiswaffeln mit Heimchen für das Plus an Proteinen.

KBD: Sita hat sich das Malen bei einer Tierporträt-Zeichnerin abgeschaut, die ihrerseits im Affenhaus malte.

Christine Peter: Ja, das hat sie. Lernen durch Imitation. Sie kritzelte irgendwann mit kleinen Stöckchen im Rindenmulch. Wir gaben ihr dann Wachsmalstifte. Und sie legte los.

Zur Auswahl hatte sie immer mehrere Farben. Pro Sitzung produzierte sie 30 bis 40 Blätter. Sie malte sehr konzentriert und wie weltvergessen, bekritzelte ein Blatt nach dem anderen, sehr schnell, oft nur mit drei, vier Strichen. Zuweilen zog sie sich auch in den Trenngraben des Außengeheges zurück, um ungestört malen zu können. Dort entstanden sehr interessante Frottagearbeiten, da der steinige Untergrund sich durchdrückte und auf das Bild übertragen wurde. 

KBD: Favorisierte Sita bestimmte Farben? 

Christine Peter: Wie alle Affen bevorzugte sie nahrungsnahe Farben: gelb, rot, grün, die Farben von Früchten und Gemüse. Letztendlich malen Menschenaffen aber mit den Farben, die ihnen zur Verfügung gestellt werden. 

Foto (c): Hallmann. Barito bei seiner – nach der Malerei – zweitliebsten Beschäftigung: dem Naschen.
Foto (c): Hallmann. Barito bei seiner – nach der Malerei – zweitliebsten Beschäftigung: dem Naschen.

KBD: Sandra hat Tauschhandel betrieben? Sita auch?

Christine Peter: Nein, Sita stand nicht auf Tauschgeschäfte. Sie ließ die Bilder einfach im Gehege liegen. Nur einmal lief es anders. Das ist eine, mich wirklich rührende, Geschichte. Gerade jetzt nach ihrem Tod. Sita hatte irgendwie ein Stück Tuch ergattert. Das befeuchtete sie mit Wasser, bemalte es und wollte es mir über den Trenngraben zuwerfen. Aber das Tuch war natürlich zu leicht. Also beschwerte sie es mit einem Stück Holz und warf es mir so erneut zu. Das hat geklappt. Ein Geschenk war das. Ich habe es natürlich immer noch zu Hause und halte es in Ehren.

KBD: Tilda war die Seniorin des Geheges. 

Christine Peter: Ja, mit ihren vierzig Jahren war sie eine sehr ruhige und bedächtige Persönlichkeit. Bei ihr liefen die Sessions etwas anders ab, sprich: Ich konnte die Plastikbecher mit den Farben in ihren Käfig hineinstellen, ohne Angst haben zu müssen, dass sie alles verschüttet. Tilda hat Pappen sehr schön bemalt. Einige Strukturen sahen wie Tags von Sprayern aus. Sehr ausdrucksstark. 

KBD: Die aktuelle Maler-Generation im Krefelder Zoo heißt Barito.

Christine Peter: Barito ist das erste Männchen, das bei uns malt. Und er ist der Erste, der auf Leinwand arbeitet. Natürlich geht dabei auch der ein oder andere Keilrahmen zu Bruch. Klar, Barito ist ein Youngster, der manchmal nicht weiß, wohin mit seiner Kraft. Das merkt man auch seinen Bildern an. Kraftvoll und dynamisch sind sie.

Malvorbeitungen in Baritos Schlafkoje.
Malvorbeitungen in Baritos Schlafkoje.

KBD: Und wie läuft Baritos Malsession ab? 

Christine Peter: Unterschiedlich. Meist stelle ich ihm die Kunststoffflaschen mit den Farben direkt in den Käfig. Er verteilt die Farbe dann auf der Leinwand und beginnt zu malen. Mit Pinsel, Tuch, Schwamm, den Haaren der Unterarme oder mit seinen Fingern. Da ist er sehr kreativ. Einmal hat er fette Farbkleckse auf den Boden gegeben, die Leinwand umgedreht, auf den Boden und in die Farbe gedrückt und sie hin und her bewegt. Ich sag nur: Action-Painting. Zum Schluss will Barito auch immer eine Belohnung. Und wie seinerzeit Sandra zerstört er die Bilder, wenn die Gegenleistung ihm nicht adäquat erscheint. 

KBD: Wie lange dauert eine Malsession? 

Christine Peter: In der Regel 45 Minuten. Barito signalisiert auch ganz deutlich, wenn er keine Lust zum Malen hat. In so einem Fall ignoriert er mich, nimmt Keilrahmen auseinander. Es ist auch schon vorgekommen, dass er mich duscht. Dann nimmt er Farbe und Wasser in den Mund, vermischt das Ganze, tja – und dann prustet er mich mit der Ladung gezielt voll. 

KBD: Sie duschen zurück? 

Christine Peter: Nein, es gilt cool zu bleiben: unaufgeregt weggehen und sich umziehen. Sich den Ärger nicht anmerken lassen. Denn das provozierte nur eine Wiederholung. 

KBD: Vielen Dank für das Gespräch. 

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